Life & Style Peter Wittkamp erkennt die Parallelen zwischen Kinderkriegen und Unternehmensführung

Peter Wittkamp erkennt die Parallelen zwischen Kinderkriegen und Unternehmensführung

Wozu BWL studieren, wenn man Kinder zeugen kann? Unser Kolumnist Peter Wittkamp weiß: Ein Baby ist der bessere MBA.

Vor Kurzem habe ich ein Kind bekommen! Na gut … das ist möglicherweise ein wenig falsch formuliert. Eigentlich hat meine Freundin das Kind bekommen. Aber ich halte es einfach wie zahlreiche andere Führungspersönlichkeiten in Unternehmen: Mit dem Projekt haben sie zwar nicht viel mehr zu tun gehabt, als beim Kick-off-Meeting dabei gewesen zu sein. Aber sie wissen genau, was zu tun ist, um es vor anderen später trotzdem so aussehen lassen, als wären sie zu 90 Prozent für das Projekt verantwortlich.

Also natürlich nur, wenn es ein Erfolg war. Mein Baby war solch ein Erfolg, also habe ich es bekommen. Mit ein wenig Unterstützung der weiblichen Projektmitarbeiterin vielleicht.

Biotech-Startup für jedermann

Was mir bei diesem Projekt aufgefallen ist: Die Parallelen zur Arbeitswelt enden nicht in dieser frühen Phase. Ist das „Baby erst mal zur Welt gebracht“, was hier ausnahmsweise mal nicht sinnbildlich gemeint ist, zeigt sich schnell, dass sich so ein Kind im Grunde ständig wie ein kleines Unternehmen verhält: Man weiß nie, wie es sich entwickelt, und es ist auch nicht immer leicht zu führen. Wobei es ein Trugschluss ist, dass wir das „Unternehmen Baby“ führen.

Denn eines wird schnell klar: Der Kleine ist hier der Boss. Und er ist nicht immer eine angenehme Führungspersönlichkeit – flache Hierarchien sind seine Sache nicht. Er bestimmt. Ausschließlich. Die wirklich sehr zahlreichen Meetings im Unternehmen Baby beispielsweise werden generell sehr spontan abgehalten. Dabei lässt sich der Boss nicht von Tages- oder Nachtzeiten abschrecken. Oder Wochenenden. Wenn ihm einfällt, dass er etwas von uns will, lässt er es uns unmittelbar wissen. Ohne großen Vorlauf oder Einladungen. Stattdessen brüllt er durch den gesamten Raum, und mindestens einer der beiden Mitarbeiter seines kleinen Unternehmens hat sich sofort einzufinden. Sonst verschlimmern sich seine Drohgebärden, und er vergisst sich völlig. Schon ein kleiner Choleriker, der Typ.

Skaleneffekte in der Humanverpackung

Thematisch geht es in diesen Meetings fast immer um dieselben Inhalte: Oft schauen wir uns die aktuellen Entwicklungen auf dem Windelmarkt an. Fast ebenso häufig dreht es sich um die Erschließung neuer Milchreserven. Hier macht vor allem die weibliche Mitarbeiterin des Unternehmens hervorragende Lösungsvorschläge, während der männliche Mitarbeiter betreten schweigt. Was mich besonders frustriert: Obwohl wir jedes Meeting erfolgreich abschließen, fangen wir beim nächsten wieder ganz von vorne an. Die reinste Sisyphusarbeit. Der Boss will schon wieder, dass der Windelmarkt noch einmal ganz genau inspiziert wird – und auch die Entwicklungen im Milchgeschäft findet er jedes Mal aufs Neue spannend.

Diese wirklich immensen Investitionen in den Milchmarkt passen jedoch hervorragend zu der aggressiven Wachstumsstrategie des Chefs. Er will immer größer werden.

Es soll skaliert werden. Und zwar nach oben und in die Breite. Die Freizeit seiner Mitarbeiter ist da eher zweitrangig. Diese Expansion bringt oft das gesamte Unternehmen an die Grenzen. Es kommt häufig vor, dass wir Mitarbeiter Hardware anschaffen, die aufgrund der extremen Wachstumspolitik schon eine Woche später völlig veraltet ist und nicht mehr zu den Anforderungen des Chefs passt.

Anschubfinanzierung durch Vater Staat

Gleichzeitig explodieren die Kosten auch an anderen Stellen. So riss der großzügige Firmenwagen des Chefs ein großes Loch in die Kalkulation (die Mitarbeiter – das nur am Rande – müssen übrigens hinter dem Wagen herlaufen). Glücklicherweise unterstützt der Staat das junge Startup mit den beiden Gründerfonds „Kindergeld“ und „Familiengeld“. Sonst müssten wir bald Konkurs anmelden.

Und was bringt die Zukunft? Ich kann es nicht so genau sagen. Aber wenn der Laden in eineinhalb Jahren nicht auf eigenen Füßen steht und die Sache nicht läuft, haben wir ein Problem.

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 03/2018. Darin gehen wir der Frage nach wie Star-Investor Peter Thiel, der sich als Trump-Versteher unmöglich gemacht hat, so tief fallen konnte – und wie er es wieder nach oben schaffen will. Außerdem: Dossier Fußball. Genauer, zum Business mit, hinter und vor dem Spiel. Mehr Infos hier.

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